Endgültige Klärung nun erst im Hauptsacheverfahren

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 5.9.2014 die Beschwerde des Betreibers der Hähnchenmastanlage Groß Haßlow gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Potsdam vom 4.7.2014 zurückgewiesen. Damit gilt die Entscheidung des VG Potsdam, wonach der Bau der Hähnchenmastanlage Groß Haßlow vorläufig nicht fortgeführt werden darf.

Am Standort Groß Haßlow (Wittstock/Dosse, LK Ostprignitz-Ruppin) wird derzeit eine Hähnchenmastanlage für knapp 330.000 Masthähnchen errichtet. Die Genehmigung erteilte das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) am 19.11.2012. Da die Genehmigung lediglich eine Gültigkeitsdauer von einem Jahr hatte, verlängerte die Behörde auf Antrag des Betreibers der Hähnchenmast die Dauer der Genehmigung. Gegen diese Verlängerung klagt der Naturschutzbund Brandenburg (NABU). Gleichzeitig hatte der NABU beim VG Potsdam einen Eilantrag mit dem Ziel gestellt, bis zur Entscheidung über die Klage die aufschiebende Wirkung seiner Klage festzustellen, was dazu führt, dass die Bauarbeiten nicht weitergeführt werden dürfen. Das VG Potsdam hatte dem Eilantrag des NABU stattgeben, das OVG Berlin-Brandenburg hat die Entscheidung des VG Potsdam nunmehr in zweiter und letzter Instanz bestätigt.

Die Entscheidung des VG Potsdam ist in einem Eilverfahren ergangen, sie ist also nur vorläufig. Die endgültige Entscheidung über die Frage, ob die Genehmigung verlängert werden durfte, wird im Hauptsacheverfahren vor dem VG Potsdam und in zweiter Instanz vor dem OVG Berlin-Brandenburg getroffen. Üblicherweise dauern derartige Hauptsacheverfahren pro Instanz zwischen eineinhalb und zwei Jahren, so dass mit einer endgültigen Entscheidung frühestens im Jahr 2016 zu rechnen ist.

Inhaltlich geht es bei dem Streit vor allem um zwei Fragen.

Die eine Frage ist prozessrechtlicher Natur. Es geht darum, ob anerkannte Naturschutzvereinigungen wie der NABU überhaupt gegen die Verlängerung einer Genehmigung vorgehen können. Diese Frage ist rechtlich umstritten, sowohl das VG Potsdam als auch das OVG Berlin-Brandenburg haben sie offen gelassen. Bei der zweiten Frage geht es darum, ob der Fristverlängerungsbescheid des LUGV rechtmäßig ergehen durfte. Denn zwischen der Genehmigung im November 2012 und der Fristverlängerung im April 2014 gab es eine Rechtsänderung, die die Errichtung derartiger Tierhaltungsanlagen ohne Bebauungsplan der Kommune nicht mehr zulässt. Anders formuliert: Nach aktuellem Recht wäre die Genehmigung für die Hähnchenmastanlage rechtswidrig.

Wird im Hauptsacheverfahren durch das VG bestätigt, dass der NABU gegen den Fristverlängerungsbescheid vorgehen kann, so dürfte diese geänderte Rechtslage für den Fristverlängerungsbescheid eine zentrale Rolle spielen. Es ist weitgehend unstrittig, dass nach jetzt geltendem Recht die Anlage nicht genehmigungsfähig wäre. Dies würde dann, sofern die Stadt Wittstock/Dosse nicht noch einen Bebauungsplan für die Anlage aufstellt, das endgültige Aus für die Mastanlage bedeuten.

Der Betreiber der Mastanlage und die Behörde haben für die Zeit bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Möglichkeit, den Sofortvollzug des Fristverlängerungsbescheids anzuordnen. Darauf weist das OVG in seinem Beschluss auch hin. Dies würde dazu führen, dass die Anlage weiter gebaut und auch vorläufig in Betrieb genommen werden darf.

Nach Auskunft des Anwalts des NABU, Peter Kremer, wäre eine solche Herangehensweise allerdings für die Behörde mit einem erheblichen Risiko behaftet. „Ordnet das LUGV den Sofortvollzug an und bekommt der NABU im Hauptsacheverfahren Recht, dann kann der Betreiber der Hähnchenmastanlage von der Behörde möglicherweise Schadensersatz für seine Investitionen verlangen. Ein solcher Schadensersatz ginge auf Kosten der Steuerzahler und kann erhebliche Summen ausmachen. Das LUGV wird gut beraten sein, aufgrund des offenen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens von der Anordnung des Sofortvollzugs abzusehen.“

Der Vorsitzende des NABU, Friedhelm Schmitz-Jersch, begrüßt die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg. „Die Beschlüsse des OVG sowie des VG Potsdam sind nicht nur ein Erfolg in unserem Widerstand gegen diese tier- und umweltverachtende Produktion von Lebensmitteln. Er ist auch ein weiterer Schritt zur Möglichkeit der Überprüfung behördlicher Entscheidungen durch Naturschutzvereinigungen. Nicht zuletzt ist das Verfahren ein gutes Beispiel für die fruchtbare Kooperation zwischen Bürgerengagement und Naturschutzvereinigungen. Ohne die Hilfe der Bürgerinitiative ‚Wittstock Contra Industriehuhn‘ hätte der NABU dieses Verfahren nicht führen können“.

Große Freude über die Entscheidung des OVG gibt es auch bei der Bürgerinitiative. Ihre Sprecherin, Andrea Stelmecke, will das Engagement der BI als Beispiel für erfolgreichen Widerstand verstanden wissen. „Auch wenn uns das Verfahren viele Nerven, viel Zeit und viel Kraft gekostet hat: Es hat sich gelohnt. Die Betreiber derartiger Anlagen wissen nun ein weiteres Mal, dass sie mit starkem Gegenwind rechnen müssen. Wir sind optimistisch, dass der NABU das Hauptsacheverfahren gewinnt und die Anlage am Standort Groß Haßlow endgültig nicht gebaut werden darf. Wir appellieren an die Vernunft der Stadt Wittstock/Dosse, für die Anlage keinen Bebauungsplan zu erlassen.“

Für Rückfragen:
NABU Brandenburg, Herr Schmitz-Jersch, Frau Weinberg: 0331-2015570
BI ‚Wittstock Contra Industriehuhn‘, Frau Stelmecke: 030-47537046
Rechtsanwalt Peter Kremer: 0172 6464425

pm-nabu

Vielen Dank auch

… an Herrn Rechtsanwalt Peter Kremer (www.peter-kremer.de) und Herrn Rechtsanwalt Thorsten Deppner (www.kanzleideppner.de), die das Eilverfahren juristisch zum Erfolg geführt haben.

➘ Sag's weiter:
One Response to OVG bestätigt Baustopp für Hähnchenmastanlage Groß Haßlow
  1. Hat sich auch einer überlegt was mit den Stallungen passiert wenn alles gestoppt ist?
    Sicher wunderschön solche Bauruinen dann im Land stehen zu haben?
    Oder dürfen die dann auf Koste der Steuerzahler wieder abgerissen werden?
    Schwarzbuch Steuerzahler!


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